Willkommen im Tollhaus: "Weekend im Paradies" begeistert

Willkommen im Tollhaus: "Weekend im Paradies" begeistert

Freudenberg. Mit einer begeisternden Premiere ist die Südwestfälische Freilichtbühne am Samstagabend in die 70. Spielzeit gestartet. "Weekend im Paradies" steht in diesem Jahr nach 2010 zum zweiten Mal auf dem Spielplan. Und dass der Theaterklassiker nach wie vor den Nerv des Publikums trifft, machte der tosende Applaus am Ende der gut dreistündigen Vorstellung mehr als deutlich.

Selten hat man die Freilichtbühne so familiär erlebt, so sehr als Team wahrgenommen. Als Christina Schaab nach dem Abschluss-Applaus noch einmal das Wort ergriff und den vielen Beteiligten auf und jenseits der Bühne für ihr Engagement dankte, rundete sie den Gedanken von Bürgermeisterin Nicole Reschke knapp drei Stunden zuvor ab, die die Freilichtbühne als "Mekka des ehrenamtlichen Engagement" beschrieb. Christina Schaab, selbst auf der Bühne groß geworden, dankte vor allem Tim Müller, der sich nicht nur als zweiter Vorsitzender im Verein engagiert ist, sonern auch in der Rolle des Oberregierungsrates von Giersdorf brillierte. Und als sei dies alles noch nicht genug, zeichnet er in diesem Jahr zudem noch für den Kulissenbau zuständig.

Kein Wunder also, dass das Stück nach den "First Ladys" aus Hünsborn, der Vorstellung des Vereins Timao und der Eröffnung durch Bürgermeisterin Nicole Reschke schon mit einem XXL-Applaus begann. Dann aber wurden die Zuschauer in Sekunden ins Berlin der 1930er-Jahre entführt. Die Mitarbeiter im Ministerium sind unmotiviert und träumen von frivolen Abenteuern im skandalumwitterten "Hotel zum Paradies". Wie gut, dass es Regierungsrat Dittchen (bei der Premiere gespielt von Kersten Schaab) gibt: Emsig wie eine Biene erledigt er seit Jahren die Arbeit seiner Kollegen, während diese sich ins Wochenende aufmachen. Dittchen ist frustriert. Erstens wurde er bei der letzten Beförderung schon wieder übergangen, wohingegen sein Erzfeind von Giersdorf (Tim Müller) sich jetzt Oberregierungsrat nennen darf. Zweitens weiß Dittchen nicht, wie er diese Tatsache seiner ambitionierten Frau (Anne Ermert) beibringen soll. Drittens hat er seinen Ärger am gestrigen Abend in Unmengen von Alkohol ertränkt und leidet an einem ausgewachsenen Kater. Als sich eine aufgebrachte Nachbarin des "Hotel Paradies" über die dortige Sittenlosigkeit beschwert, beschließt Dittchen, endlich Initiative zu zeigen.

Natürlich ahnt er nicht, dass sich in besagtem Etablissement zu diesem Zeitpunkt die gesamte Führungsetage des Ministeriums einquartiert hat – unter falschem Namen und mitsamt falscher Gattinnen. Pikanterweise ist eine dieser Gattinnen Dittchens Frau, die durch einen Flirt mit dem Vorgesetzten ihres Mannes dessen Karriere auf die Sprünge helfen will, eine andere die Abgeordnete Haubenschild (Sylke Braune) in geheimer Mission. Und so erleben alle Beteiligten im Laufe der Handlung die peinlichsten Verlegenheiten, die irrwitzigsten Verwechslungen und das absolute Chaos. Dittchen selbst ist der Profiteur: Am Montag nach dem Wochenende wird er im Fünf-Minuten-Takt, bis zum stellvertretenden Ministerialrat befördert. So werden nunmal Karrieren gemacht.

Mit "Weekend im Paradies" hat es das Laien-Ensemble geschafft, einen Klassiker der Theaterliteratur um Vetternwirtschaft aus dem Beamtenmillieu auf die Bühne zu bringen. Wortwitz und Situationskomik wechseln sich in schöner Regelmäßigkeit mit Tanzeinlagen und Überraschungsmomenten ab. Und der eine oder andere Zuschauer dürfte sich auch ertappt gefühlt haben, wenn Dittchen zu der Erkenntnis kommt, dass man bei der eigenen Karriere manchmal einfach etwas nachhelfen muss.

Die weiteren Spieltermine vom "Weekend im Paradies gibt's" >> hier.

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